Mittwoch, 13. Januar 2010

Der passive Maulheld


Mit 56 Jahren hat Daniel Depp nun mit "Stadt der Verlierer" seinen ersten Roman veröffentlicht. Er ist "John" gewidmet, seinem zehn Jahre jüngeren Halbbruder.
In Interviews erzählt Daniel, wie nahe die Beziehung zu seinem  Bruder ist, dass er das Buch zum Großteil in Johnnys Haus in Frankreich schrieb und dass er sogar überlegte, es unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, weil sonst jeder denken würde, dass der Hollywood Superstar Bobby Dye - die umschwärmte und bedrohte Hauptfigur von "Stadt der Verlierer" eigentlich sein Bruder wäre. Doch John sagte ihm, er solle sich darum nicht kümmern. – Zurecht.
Niemand würde in diesem blassen Charakter, der stets zwischen Aufbegehren und Anpassung schwankt - dann aber doch verlässlich nach der Pfeife seines Produzenten, seiner Agentin oder seiner Supermodel-Freundin tanzt - Johnny Depp vermuten.
Doch Daniel kennt natürlich die Szenerie genau, beschreibt die verschiedenen Charakter-Typen die das Filmbiz bevölkern mit sarkastischer Ironie und lässt in den Dialogen sein komisches Talent aufblitzen. Und so entwickelt sich die Handlung irgendwo zwischen "Pulp Fiction" und "Get Shorty" - was ja an sich für vergnügliche Unterhaltung stünde.
Bloß leider hat Daniel Depp mit seiner Hauptfigur, dem Privatdetektiv David Spandau, einen Held geschaffen, der - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - nie in Fahrt kommt. Die meiste Zeit hängt er als eine Art Leibwächter von Bobby Dye in dessen Umgebung rum und lässt sich von allen möglichen Leuten beleidigen. Mindestens zehn Mal betont er, dass er es satt hat, dauernd beschimpft zu werden. Doch er steht eben unpassend im Weg rum. Und das fällt auch den anderen Figuren zunehmend auf.
Dies heißt nun nicht, dass in diesem Roman nichts abgeht. Doch Depp hat einen wirklich außergewöhnlichen Hang zur demokratischen Aufteilung der Heldenrollen - und bald gibt es eine ganze Reihe von Typen, welche Spandau den Rang ablaufen. Allen voran dessen alter Freund Terry, ein nur 1,61 Meter kleiner irischer Womanizer, der seine mangelnde Körpergröße notfalls mit einem Mix aller möglicher Kampfsportarten ausgleicht. Terry findet "diesmal wirklich" die Liebe seines Lebens, ebenso wie der schmierige Mafioso und Clubbesitzer Richie Stella oder dessen gestörter Handlanger Potts, zwei weitere Nebendarsteller, die Spandau an Originalität überstrahlen. Manchmal sind diese Lebenslieben auch ident. Etwa wenn Allison, die attraktive Geschäftsführerin von Stellas Club sowohl Richie als auch Terry schöne Augen macht. Mit fatalen Konsequenzen.
Depp kümmert sich um seine Helden, manchmal wird in der Schilderung der Herkunft etwas weit ausgeholt, aber nie so, dass die Handlung darunter leidet. Im Gegenteil: Der Schluss bietet ein dramatisches Finale, das nur einen Nachteil hat: Spandau hat kaum Anteil daran. Mittlerweile hat man sich an die anderen Darsteller aber so gewöhnt, dass dies nicht mehr stört.
Es heißt, Daniel Depp schreibt derzeit an seinem zweiten David Spandau - Krimi. Vielleicht  gönnt er seiner Hauptfigur ja darin ein paar stärkere Momente. Hier gleicht Spandau einer dauernd entsicherten Granate - die nie explodiert.  Ich bin dennoch gespannt auf die Fortsetzung.

Daniel Depp "Stadt der Verlierer" (Übersetzerin: Regina Rawlinson), Verlag C. Bertelsmann, 2009, 19,95 €

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen